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Felix Nussbaum – Biographie

Kindheit und Jugend in Osnabrück

Felix Nussbaum wird am 11. Dezember 1904 in Osnabrück als zweites Kind der Eheleute Philipp und Rahel Nussbaum geboren. Er wächst in der Geborgenheit einer gutbürgerlichen, jüdischen Kaufmannsfamilie auf, die nicht streng nach den religiösen Gesetzen lebt. Vielmehr gehören Kunst und Musik zum Habitus der lebensfrohen Familie. Die Kunstgespräche im Hause Nussbaum kreisen um Maler wie Maurice Utrillo, Karl Hofer und den von Vater und Sohn gleichermaßen verehrten Vincent van Gogh, die für Felix Nussbaum zu wichtigen künstlerischen Vorbildern werden.

Familie Nussbaum, die Söhne Justus (links) und Felix (rechts) mit Schulmützen, der Vater Philipp Nussbaum in der Uniform des Gefreiten im Ersten Weltkrieg; Foto im Postkartenformat 1915
Foto: © Museumsquartier Osnabrück

 

Villa in der Schlossstraße 11, 1925
Foto: © »Osnabrück«, hrsg. v. Friedrich Lehmann, Berlin-Halensee 1928

1922 erbauen die Eltern eine repräsentative Villa in der Schloßstraße 11 in exklusiver Osnabrücker Wohnlage.

Schon als Kind zeichnet Felix Nussbaum gerne. Der Vater unterstützt die künstlerischen Interessen seines Sohnes von Beginn an und ermöglicht ihm mit finanzieller Unterstützung ein Kunststudium in Berlin. 

Ich wurde 1904 in Osnabrück geboren und verbrachte dort eine glückliche Jugend. Als ich sechszehn Jahre alt war, zog ich nach Hamburg, um an der Kunstgewerbeschule zu lernen, wie man mit praktisch angewandter Schönheit Geld verdienen kann. Aber, wie es den meisten geht, kehrte ich mich von dieser Zierkunst ab, um mich der brotlosen Malerei zu widmen.

Frühe Erfolge in Berlin

1924 beginnt Felix Nussbaum sein Studium in der Kunstmetropole Berlin. Hier begegnet er der polnischen Malerin Felka Platek (1899–1944), die er später heiraten wird. Zusammen beziehen sie 1929 eine gemeinsame Atelierwohnung im Berliner Westen.

Nussbaum startet eine beeindruckende Karriere. Bereits 1931 ist er eine feste Größe unter den Künstlern der jungen Generation. Als Krönung seines raschen Erfolges reist er 1932 als Studiengast der Deutschen Akademie in die Villa Massimo nach Rom. In dieser Zeit werden durch einen Dachstuhlbrand in seiner Berliner Atelierwohnung etwa 150 Werke des Künstlers zerstört.

WV 245, Felix Nussbaum, Porträt Felka Platek mit verschränkten Armen, 1940, Gouache und Kohle auf Papier, 71 x 53 cm, Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück, Leihgabe der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, © Foto: Museumsquartier Osnabrück, Fotograf: Christian Grovermann

Rom

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten holt Felix Nussbaum auch in Rom der Judenhass Deutschlands ein. Er erkennt die drohende Gefahr und verarbeitet die persönliche Katastrophe und die unheilvolle Entwicklung in Deutschland in den Bildern der »Zerstörung«.
Am 17. Mai 1933 reist Felix Nussbaum aus Rom ab. Grund ist ein Künstlerstreit zwischen ihm und dem Mitstipendiaten Hanns Hubertus Graf von Merveldt, der handgreiflich endet. Schließlich müssen beide Künstler die Akademie verlassen. Von Rom aus flieht Nussbaum Hals über Kopf an die italienische Riviera.

Ängstlich und ziellos schweifte ich längere Zeit an der italienischen Riviera entlang, schrieb sogar einen Roman, malte aber wenig. Die fortwährende Suche nach Ruhe und einem neuen Vaterland nahm meine Zeit ganz in Anspruch. Nirgends wohnhaft zog ich umher mit hastig notierten Aquarellen zusammengerollt als Gepäck … Schweiz, Frankreich, Paris … bis sich endlich die Grenze von Belgien erlösend öffnete. In Ostende begann ich wieder zu arbeiten, zeichnete und malte fleißig. Ich wehre mich und werde nicht müde. Es geht.

Weg ins Exil

Felix Nussbaum und Felka Platek kehren nie mehr nach Deutschland zurück. Aufgrund der politischen Entwicklung im Heimatland entscheiden sie sich für das Exil in Belgien. 1934 trifft Nussbaum in Rapallo ein letztes Mal seine Eltern. Während sich Philipp und Rahel Nussbaum entschließen nach Deutschland zurückzukehren, kommt dies für Felix Nussbaum nicht in Betracht. Er reist zusammen mit Felka Platek im Februar 1935 von Italien aus über Paris mit einem Touristenvisum nach Ostende.

 

Weit mehr Eindruck macht Ostende auf mich, wo ich Jahre vorher schon gearbeitet hatte, eine Stadt, der ich meine Liebe auf den ersten Blick geweiht hatte. Dort entstand schon 1929 ein Großteil meiner besten Zeichnungen, und nachdem ich 1935 als gehetzter Flüchtling an einem stürmischen Februartag dorthin zurückkam, fand ich sofort wieder den engen Kontakt zu dieser Stadt, wo der Seewind die freien Wimpel an hundert Schiffsmasten gleichzeitig flattern ließ.

 

Die Hoffnungen, die Felix Nussbaum in das belgische Exil setzt, werden von den schwierigen Bedingungen des Emigrantendaseins enttäuscht. Ohne feste Bleibe hält er sich abwechselnd in Ostende und Brüssel auf.

 

Brüssel im Winter, Ostende im Sommer. Jetzt sind wir in Brüssel, wo morgen? Aber das ist ja nicht wichtig, zu neugierig darf man nicht sein. Aber ich glaube, dass wir hierbleiben. Des Wanderers Lust ist ja die des Müllers. Ein Nussbaum hat ruhig auf einem Fleck zu stehen. Hoffentlich trägt sein Baum mal Früchte.

Fremdenpass Felix Nussbaum, ausgestellt am 16. November 1935
Foto: © Museumsquartier Osnabrück, Archiv Felix-Nussbaum-Haus im Museumsquartier Osnabrück

1937 heiraten Felix Nussbaum und Felka Platek und beziehen in Brüssel einen festen Wohnsitz in der Rue Archimède 22. Der Aufenthaltsstatus des Paares bleibt jedoch ungewiss. Mehrfach werden ihre Fremdenpässe verlängert, am 16. November 1939 ein letztes Mal bis zum 16. Mai 1940. Die Hoffnung, sich in Brüssel wieder stärker der freien künstlerischen Arbeit widmen zu können und Anschluss an die Kunstwelt zu finden, bleibt hinter den Erwartungen zurück.

Fremdenpass Felka Platek, ausgestellt am 16. November 1937
Leihgabe Service Public Fédéral Intérieur, Office des Etrangers, Bruxelles
Foto: © Service Public Fédéral Intérieur, Office des Etrangers, Bruxelles

Krieg und Gefangenschaft

Mit dem Ausbruch des Krieges am 1. September 1939 ändert sich die Situation entscheidend: Felix Nussbaum ahnt, dass er als Flüchtling und Jude auch in Belgien vor der nationalsozialistischen Bedrohung nicht mehr lange geschützt sein wird.

Am 10. Mai 1940 marschieren deutsche Truppen in Belgien ein. Als deutscher Ausländer wird Felix Nussbaum von den belgischen Behörden gefangen genommen und im südfranzösischen Lager Saint Cyprien inhaftiert. Im August 1940 gelingt ihm die Flucht. Er kehrt zurück nach Brüssel in die Rue Archimède 22, wo Felka Platek auf ihn gewartet hat. Am 24.12.1940 wird Felix Nussbaum in das Judenregister der Stadt Brüssel eingetragen. Unter der deutschen Besatzung wird den jüdischen Flüchtlingen in Belgien mit den »Verordnungen über Maßnahmen gegen die Juden« jede Lebensgrundlage entzogen.

Im Versteck

1942 tauchen Felix Nussbaum und Felka Platek im Versteck unter. Im Herbst 1942 verlassen sie ihre Wohnung und finden für ein halbes Jahr bei dem belgischen Bildhauer Dolf Ledel und seiner Frau in Brüssel-Etterbeck Unterschlupf. Seine Bilder versteckt Nussbaum bei Dr. Grosfils in der Avenue Brugman, um sie vor drohender Zerstörung zu schützen.

Als die Familie Ledel im März 1943 in den Untergrund geht, kehren Felix Nussbaum und Felka Platek in ihre Wohnung in der Rue Archimède 22 zurück. Um sie vor Routinerazzien der Gestapo zu schützen, stellt ihnen der Hausbesitzer eine Mansarde als Versteck zur Verfügung.

Ab Juni 1943 nutzt Felix Nussbaum ein Ausweichquartier in der Rue Gènèral Gratry 23 als Atelier. In vollkommener Isolation im Versteck verarbeitet Nussbaum in eindrucksvollen Bildern die existenzielle Bedrohung, der er nicht mehr ausweichen kann.

Rue Archimède 22 in Brüssel Wohnung ab 1937, Versteck ab 1943
Foto: © Wendelin Zimmer 1983

Verhaftung und Deportation

Am 20. Juni 1944 werden Felix Nussbaum und Felka Platek in ihrem Versteck in der Rue Archimède verhaftet und in das Sammellager Mechelen gebracht. Von hier aus werden sie am 31. Juli nach Auschwitz deportiert, wo der Transport am 2. August 1944 eintrifft. Eine erhaltene Akte aus dem Krankenbau im Stammlager Auschwitz mit dem Datum des 20. September 1944 verzeichnet den Namen Felix Nussbaums. Felix Nussbaum und Felka Platek werden in Auschwitz ermordet, ihr Todesdatum ist nicht bekannt.

Die Bilder Felix Nussbaums wurden 15 Jahre später von der Cousine des Künstlers, Auguste Moses-Nussbaum, in Brüssel wiederentdeckt.

Kopfbild: WV 438, Felix Nussbaum, Selbstbildnis an der Staffelei [Ausschnitt], 1943, Öl auf Leinwand, 75 x 55 cm, Foto: © Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück, Leihgabe der Niedersächsischen Sparkassenstiftung